top of page

Alte Menschen in Peru

Autorenbild: Anne Amaru Anne Amaru

Bettler sind kein ungewohnter Anblick in Peru. Oft handelt es sich dabei um alte Menschen. Manche sitzen auf den Bürgersteigen der Stadt und bieten ein paar Kräuter, etwas selbstgemachten Käse, selbst geerntetes Obst wie ein paar Kakteenfrüchte, Chirimoyas oder ähnliches zum Verkauf an. Dabei hoffen sie auf ein paar Soles am Tag. Andere kaufen sich eine Tüte Bonbons und versuchen Passanten auf der Plaza de Armas ein "Caramelo" für ein Sol zu verkaufen. Die die gar nichts mehr können, oft gebrechlich und ausgemergelt sind, sitzen bis tief in die Nacht hinein am Straßenrand und warten geduldig darauf, das ein Passant eine Münze in ihr Gefäß legt. Häufig stellte sich mir dabei schon die Frage:

Alte Frau in Cuzco
Wer kümmert sich eigentlich um alte Menschen in Peru?

Im Februar 2020, kurz vor dem Ausbruch von Covid, war ich zuletzt bei meiner Mutter in Deutschland zu Besuch gewesen. Als ich sie Anfang 2023 endlich wiedersah, stellte ich eine zunehmende Vergesslichkeit bei ihr fest. Aus Sorge vor einer Demenzerkrankung veranlasste ich entsprechende Maßnahmen.


Ich wandte mich zuerst an die gerontologisch-psychologische Ambulanz in ihrem Wohnort. Experten führten Tests durch, mithilfe einer Computertomographie wurde eine Alzheimer Erkrankung glücklicherweise ausgeschlossen. Sie bekam Medikamente und Ergotherapie verordnet. Eine Patientenverfügung und Vorsorgevollmacht wurde unterschrieben. Der nächste Schritt wäre noch den Medizinischen Dienst für eine Gesamtbeurteilung der Lebenssituation zu bestellen, um sie in eine Pflegestufe einzuordnen. All diese Kosten übernimmt die Krankenkasse. Eine lange Liste von fast schon selbstverständlichen Leistungen, die alte Menschen in Deutschland ohne große Mühe erhalten können.

Auch über die Anschaffung von "Essen auf Rädern" hatte ich nachgedacht. Zudem kaufte ich ihr eine Notfall-Uhr. Nun kann ich von Peru aus ihren Puls und Blutdruck messen und über das Internet sehen wohin sie geht! Würde sie den Notfallknopf drücken oder stürzen, würden drei Personen in ihrer Umgebung abwechselnd angerufen.


Ich dachte auch darüber nach, ob ich sie mit zu mir nach Peru nehmen könnte. Ich begann daher über das Thema "Altwerden in Peru" zu recherchieren. Die Idee sie hierher zu bringen hatte ich danach sehr schnell wieder verworfen, aber nicht die Idee für diesen Artikel. Und, was wäre näherliegender für mich als das Thema einmal anhand der Erkrankung Demenz zu untersuchen und zu betrachten...


Laut peruanischem Gesundheitsministerium (Minsa) leiden in Peru mehr als 200.000 Menschen über 60 Jahre an Alzheimer

Die Diagnose Demenz wird in der Regel mit kognitiven Tests gestellt. Worüber ich nie nachgedacht hatte: Die Standards für diese Tests müssen hier in Peru sehr viel niedriger angelegt werden als in Deutschland, denn in Peru ist die Analphabetenrate noch immer hoch und die Schulbildung, insbesondere der ländlichen Bevölkerung, auf einem niedrigen Niveau. Dabei haben viele nur eine Grundschulbildung. Das alles erschwert die Durchführung von diagnostischen Tests.


Demenz betrifft die ganze Familie

Nur in den frühen Stadien der Krankheit macht sich der Patient Sorgen um seine kognitiven und funktionellen Symptome, später nimmt er diese nicht mehr wahr. Das bedeutet, das er ab einem bestimmten Zeitpunkt eine Pflegekraft benötigt , die sich 24 h am Tag um ihn kümmert.  Diese Aufgabe übernimmt in Peru in 80% der Fälle ein Familienmitglied. Häufig kümmert sich eine Tochter (60 %) oder der Ehepartner (30 %) des Patienten allein um ihn. Selten agiert dabei die Familie als Team, 40 % der Pflegekräfte erhalten keine Hilfe von einer anderen Person. Ein Burnout ist dabei nicht selten. Oft brauchen die Betroffenen am Ende selbst medizinische Hilfe, die hier aber genauso schwierig zu finden ist.


Die Kosten fuer die Gesundheitsleistungen eines Demenzpatienten, wie Prävention, Diagnose und Behandlung, muss meistens von der Familie übernommen werden. Dazu zählen Arztkosten für die Erstuntersuchung, Tests, Medikamente, Nachuntersuchungen, schlimmstenfalls Krankenhaus- sowie soziale Pflege- und eventuell Heimkosten (dabei gibt es eine sehr begrenzte Zahl von solchen Einrichtungen, siehe dazu unten). Dazu kommen noch andere Ausgaben, z.B. für Windeln, Transport, Ernährung, Nahrungsergänzungsmittel etc.

Alte peruanische Frau bettelt um Geld

Der peruanische Staat trägt kaum oder gar nichts dazu bei, obwohl er 2013 Demenz in die Liste der katastrophalen Krankheiten aufgenommen und einen nationalen Plan für AD und andere Demenzerkrankungen erstellt hatte. EsSalud, Perus soziale Krankenversicherung, und einige Gemeinden haben ein häusliches Pflegeprogramm (PADOMI) und umfassende Zentren für ältere Menschen (CIAM) entwickelt, jedoch ohne ein angemessenes kognitives Interventionsprogramm.


PADOMI: Programa de Atención Domiciliaria

Was ist Padomi? PADOMI, dessen Abkürzung „Home Care Program“ bedeutet, ist ein spezielles Programm der peruanischen Krankenversicherung EsSalud, das versicherten Erwachsenen über 60 Jahren, die an chronischen Krankheiten leiden, ein breites Spektrum an medizinischen und sozialen Dienstleistungen anbietet. Ziel dieser Dienste ist es, die Lebensqualität und das Wohlbefinden älterer Menschen in ihrem häuslichen Umfeld zu verbessern.


PADOMI bietet allgemeine und spezialisierte medizinische Versorgung, Krankenpflege, Laboruntersuchungen, psychologische Beratung, Physiotherapie und Rehabilitation, Ernährung, Sprachtherapie, Sauerstoff- und Atemtherapie, 24-Stunden-Notfalldienste, Zahnmedizin, Hauslieferung von Medikamente und Heimkrankenhausaufenthalte an.


Nachdem man sich bei PADOMI registriert hat, würde innerhalb von maximal 10 Tagen ein Hausbesuch vereinbart. Die Hausbesuche werden als Teil des Programmes mindestens einmal im Monat durchgeführt.


CIAM: Centros integrales de Atención al adulto mayor

Das Zentrum für Altenpflege CIAM kümmert sich lokal um die Probleme von Einzelpersonen und Familien, fördert Gesundheitsmaßnahmen. Zu ihrer Aufgabe gehört auch die Organisierung von Workshops, z. B. zum Thema Selbstwertgefühl oder Prävention vor Missbrauch. Die Programme sollen psychische und chronische Krankheiten vorbeugen helfen. CIAM führt Alphabetisierungsarbeit durch und fördert Behindertenwerkstätten. Zudem möchten sie den respektvollen Umgang mit älteren Menschen vermitteln.


Altenheime in Peru

In Peru gibt es 4.288.968 Erwachsene über 60 Jahre, was 13 % der Bevölkerung entspricht. 70 % dieses Sektors leiden an chronischen Krankheiten und etwa 20 % leben in extremer Armut. Nach Angaben des peruanischen Frauenministeriums gibt es 330 Residential Care Center (CAR). Die meisten davon seien jedoch privat, um genau zu sein: 322 private und nur 8 öffentliche! Die Preise der privaten Heime sind für viele Familien, die sich nicht um ihre älteren Menschen kümmern können, nicht erschwinglich. Die öffentlichen Heime sind als Konsequenz überfüllt. Daher sehen sich ältere Menschen gezwungen, ihren Lebensabend auf der Straße zu verbringen und um Almosen zu betteln.


Derzeit leben in den acht öffentlichen CARs 471 ältere Erwachsene. Es gibt kein Geld fuer die Anschaffung von mehr Unterkünften. Um Einrichtungen für Sozialfälle bereitzustellen, wäre eine stärkere Koordinierung mit den privaten Zentren erforderlich.


Eines der symbolträchtigsten kostenlosen Lokale in Lima ist das Haus von Ignacia Viuda de Canevaro, besser bekannt als Canevaro. Hier hat nur Zutritt, wer von seiner Familie im Stich gelassen wurde. Das Heim hat eine Gesamtkapazität von 350 Personen und wird aus eigenen Mitteln der Lima Public Charity finanziert. https://www.fundacioncanevaro.org.pe/instituciones-beneficiarias/albergue-central-ignacia-r-vda-de-canevaro.html




Wohltätigkeitshilfe

Angesichts dieses Problems gibt es Ordensgemeinschaften, die mit Hilfe von Spenden und Einsatz von Freiwilligen aufnehmen wen sie können. Zum Beispiel das Haus San Pedro unter der Leitung von Bruder Jean Paul Canturini. „Wir haben 30 Einwohner. Viele wurden von ihren Familien völlig verlassen und leiden u. a. an degenerativen Krankheiten, Schizophrenie, Lähmungen und den Folgen von Schlaganfällen“, erklärt er. https://www.hogarsanpedro.com/quienes-somos/


Um das Heim in San Pedro zu unterstützen, können Sie (+51) 932 312 388 oder 989 588 604 und Canevaro unter (+51) 427 6520, 331 1941 oder 331 1962 anrufen. Beide benötigen Kleidung, Lebensmittel und Medikamente.


Links






34 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Comments


bottom of page